Beabsichtigt man in Deutschland ein Lebensmittel auf dem Markt bringen, welches als neuartiges Lebensmittel der Novel-Food-Verordnung unterliegt, so muss zunächst dessen Zulassung beantragt und genehmigt werden. In dem Zulassungsverfahren wird insbesondere geprüft, ob von dem Lebensmittel Gesundheitsgefahren für den Verbraucher ausgehen.

Mit Bescheid ohne Datum, dem Antragsteller zugestellt am 25. Oktober 2002
untersagte das Landratsamt R******** nach vorheriger Anhörung, das Erzeugnis
„T******* Noni-V****-Fruchtsaft“ solange in Verkehr zu bringen, bis über den
Antrag auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel entschieden ist, drohte für
den Fall der Nichteinhaltung ein Zwangsgeld in Höhe von € 2.500,– an und
ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Zur Begründung wurde
ausgeführt, der Antragsteller vertreibe das genannte Produkt, bei dem es
sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 258/97
(sog. Novel-Food-Verordnung) handle. Die Anordnung der sofortigen
Vollziehung sei im öffentlichen Interesse geboten, weil der illegale Handel
mit nicht zugelassenen Lebensmitteln Gefahren für die Gesundheit der
Verbraucher mit sich bringe. Es lägen noch keine Erkenntnisse über
gesundheitliche Risiken vor.

Hiergegen hat der Antragsteller am 18. Oktober 2002 Widerspruch erhoben
und ausgeführt, dass Noni-Früchte und die daraus hergestellten Produkte
nicht unter die Novel-Food-Verordnung fielen. Es handle sich nicht um ein
neuartiges Lebensmittel. Die Früchte würden seit Jahrhunderten in der
gesamten Südsee verzehrt und auch in Nordamerika millionenfach konsumiert.
Ãœber gesundheitliche Bedenken sei nichts bekannt geworden. Die Noni-Frucht
sei kein Neuzüchtung und werde zur Gewinnung der Säfte in keiner Weise
verändert. Im Ãœbrigen werde das Produkt durch den Antragsteller nicht
vertrieben. Er habe lediglich einen Karton Noni-Saft für den eigenen
Verbrauch bestellt und nicht weiter verkauft.
(…)

Mit Bescheid vom 26. November 2003, den Bevollmächtigten des
Antragstellers gegen Empfangsbestätigung am 28. November 2002 zugestellt,
wurde dem Antragsteller erneut die Inverkehrbringung des Erzeugnisses
„T*******-Noni-V****-Fruchtsaft“ bis zur Entscheidung über den Antrag auf
Zulassung als neuartiges Lebensmittel untersagt, ein Zwangsgeld in Höhe von
€ 2.500,– angedroht und die sofortige Vollziehung des Bescheides
angeordnet. Diese Anordnung wurde wie folgt begründet:

Der illegale Handel mit nichtzugelassenen Lebensmitteln berge Gefahren für
die Gesundheit der Verbraucher in sich. Die in den Antragsunterlagen auf
Zulassung als neuartiges Lebensmittel genannten Risiken, das
Allergiepotential und eine mögliche Toxizität stünden nach wie vor im Raum.
Die Allgemeinheit sei von Gefahren für die Gesundheit durch Untersagung des
Inverkehrbringens nicht zugelassener Lebensmittel zu schützen. Das
geschäftliche Interesse des Gewerbetreibenden an einer aufschiebenden
Wirkung des Rechtsbehelfs müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an
einer schnellen und nur dann effektiven Durchsetzung der zum Schutz der
Verbraucher notwendigen Anordnungen der Untersagung des Inverkehrbringens
nicht zugelassener Lebensmittel zurückstehen.

Das Verwaltungsgericht München führt in seiner Entscheidung vom 06.02.2003 (AZ: M 4 S 03.181) dazu aus:
Materiell-rechtlich hat die überschlägige Ãœberprüfung ergeben, dass das
Landratsamt als zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde (Art. 1 Abs. 2
Nr. 3, Abs. 3 Lebensmittelüberwachungsgesetz) im Vertrieb des „T*******
Noni-V****-Fruchtsaft“ zu Recht einen Verstoß gegen § 3 Abs. 1 neuartige
Lebensmittel und Lebensmittelzubehörverordnung (LLV) in der Bekanntmachung
der Fassung vom 14. Februar 2000 (BGBl I S. 123) gesehen hat. Danach dürfen
Lebensmittel und Lebensmittelzutaten im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 258/97 vom 27. Januar 1997 (Amtsbl. Nr. L 043 v.
14.2.1997 S. 1-6) – künftig Verordnung (EG) genannt – nicht ohne Genehmigung
in den Verkehr gebracht werden.

Die Verordnung (EG) findet Anwendung auf das Inverkehrbringen von
Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten der Gemeinschaft, die in dieser bisher
noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet
wurden (Art. 1 Abs. 2 Satz 1); umfasst werden davon u.a. gemäß Art. 1 Abs. 2
Buchstabe e Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die aus Pflanzen bestehen
oder aus Pflanzen isoliert worden sind, außer Lebensmittel und
Lebensmittelzutaten, die mit herkömmlichen Vermehrungs- oder Zuchtmethoden
gewonnen wurden und die erfahrungsgemäß als unbedenkliches Lebensmittel
gelten können.

Dass eine Verwendung der Früchte der Noni-Pflanze (biologisch: Morinda
citrifolia) und daraus gewonnener Produkte für den menschlichen Verzehr im
Gebiet der Europäischen Gemeinschaft in der Zeit vor in Kraft treten der
Verordnung (EG) im Jahre 1997 in nennenswertem Umfang vorgekommen ist, ist
weder ersichtlich, noch vom Antragsteller substantiiert vorgetragen. Das
spricht – mangels zuverlässigem Kenntnismaterial – auch als Indiz dagegen,
dass der in Art. 1 Abs. 2 Buchstabe e der Verordnung (EG) enthaltene
Ausnahmetatbestand erfüllt sein könnte (so auch BayVGH, Beschluss v.
30.7.2001 Az.:25 ZS 01.1844 ; BayVGH Beschluss v. 22.4.2002 Az.: 25 CS
02.853 ; BayVG München, Beschluss v. 13.3.2002 Az.: M 4 S 02.925 ,
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss v. 9.10.2001 Az.: 11 MB
2745/01 ).

Die von den Bevollmächtigten des Antragstellers vorgetragenen Umstände,
dass die Noni-Frucht und daraus gewonnenen Produkte bereits seit
Jahrhunderten in der Südsee verzehrt worden seien und auch in den USA
„millionenfach“ konsumiert würden, sagt nichts darüber, dass dieses
Lebensmittel „erfahrungsgemäß“ als unbedenklich im Sinne des Art. 1 Abs. 2
Buchstabe e der Verordnung (EG) zu gelten habe. Die Frage der
Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, deren Prüfung sich die Gemeinschaft vor
deren Inverkehrbringen nach ihren lebensmittel- und gesundheitsrechtlichen
Vorstellungen vorbehalten hat, kann nicht durch Erfahrungen anderer Länder
mit möglicherweise ganz anderen lebensmittelrechtlichen Standards
beantwortet werden. Ein Interesse an der sofortigen Vollziehung scheidet
auch nicht deshalb aus, weil nach Auffassung des Antragstellers keine
Toxizität nachgewiesen worden sei. Das ist auch nicht erforderlich, weil
gerade durch den Erlaubnisvorbehalt jegliche Beeinträchtigung der
menschlichen Unversehrtheit von vornherein sicher ausgeschlossen werden soll
und diese Frage dem Genehmigungsverfahren nach der Verordnung (EG)
vorbehalten bleiben muss.

Soweit der Antragsteller vorträgt, er bringe das strittige Produkt nicht
in den Verkehr, sondern habe lediglich einen Karton Noni-Saft für den
eigenen Verbrauch bestellt, entspricht dies offensichtlich nicht den
Tatsachen. Denn in den Akten des Antragsgegners befindet sich ein Schreiben
des Antragstellers vom 17. September 2002, in dem das hier in Rede stehende
Produkt einer möglichen Kundin angeboten wird und in dem es u.a. heißt: „Wir
gehören zu den ersten unabhängigen Händlern Europas, die den wirklich
einzigartigen, 89% puren T******* Nomi-V****-Fruchtsaft von Morinda weltweit
vertreiben dürfen“. Angesichts dieser bekundeten Absicht, das Produkt in den
Verkehr zu bringen, war das Landratsamt berechtigt, den Bescheid vom 26.
November 2002 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zur Sicherstellung
lebensmittelrechtlicher Vorschriften und damit zum Schutz der Verbraucher zu
erlassen, auch wenn tatsächlich noch keine Lieferungen erfolgt sein sollten.

Der Rest der Geschichte ist weitestgehend bekannt: Im Jahr 2003 gestatte die Europäische Kommission das Inverkehrbringen des Saftes. Bedingung für den Saftvertrieb war u.a. die Pasteurisierung.