Die LR Health & Beauty Systems GmbH hatte ihren Orgaleitern in der Vergangenheit einen ganz besonderen Vertrauensbeweis entgegengebracht: LR verzichtete vertraglich auf das ordentliche Kündigungsrecht. Das heißt, die Orgaleiter waren, wenn sie keine schwerwiegenden Verstöße begingen, unkündbar. Ein großer Vorteil, wenn man bedenkt, dass z.B. PM International jeden Berater, bis zur höchsten Führungskraft, sang- und klanglos kündigen kann, ohne auch nur einen Cent Ausgleich für die bei PM verbleibenden Strukturen zahlen zu müssen (s. hier).
Doch mit der Großzügigkeit hat es nun auch bei LR ein Ende: Seit mehreren Jahren wird neuen Führungskräften der Kündigungsverzicht nicht mehr gewährt. Mehr noch: Zum Teil wird die Gunst der Stunde von LR genutzt, langjährigen Führungskräften, deren ursprünglicher Vertrag ein Kündigungsverzicht enthält, einen neuen Vertrag ohne Kündigungsverzicht unterzujubeln. Jede Führungskraft, der von LR ein neuer Vertrag vorgelegt wird, sollte daher hellhörig werden. Denn LR verzichtet nicht nur auf den Kündigungsverzicht, sondern auch darauf, die Führungskräfte darüber aufzuklären, dass die Unkündbarkeit mit dem neuen Vertrag nicht mehr gilt. Der Vertrag ist dann auch so formuliert, dass ein juristischer Laie nicht sofort darauf kommt, worum es geht. So heißt es im letzten Absatz unter „Schlussbestimmungen“ dann im juristischen Kauderwelsch „Es wird klargestellt, dass dieser Vertrag die Anwendbarkeit des § 89 HGB nicht berührt.“ Auf Deutsch: Der Orgaleiter kann jederzeit unter Einhaltung der in § 89 HGB bestimmten Fristen, die abhängig von der Vertragsdauer sind, von LR gekündigt werden.
Einziger Vorteil ist in diesem Zusammenhang, dass der Orgaleiter vertraglich weiterhin als Handelsvertreter eingeordnet wird, so dass ihm im Falle der ordentlichen Kündigung durch LR ein Ausgleichsanspruch gegen LR zusteht.

Die „neuen“ Orgaleiterverträge enthalten aber noch zahlreiche weitere nachteilige Regelungen bzw. Folgen: Der Orgaleiter darf seine Struktur, im Gegensatz zu früher, nicht mehr verkaufen, die „Renten“-Regelung (Teil-Provision trotz Inaktivität) wurde gestrichen und LR ist nicht mehr verpflichtet, seine Orgaleiter „bestmöglich“ zu unterstützen.
Für Ärger sorgen dürfte auch eine neue Klausel, die ebenfalls in den Schlussbestimmungen des neuen Vertrages versteckt ist: Danach ist LR berechtigt, den Orgaleitervertrag an ein mit ihr verbundenes Unternehmen zu übertragen, ohne dass der Orgaleiter ein Mitspracherecht hat. In der Konsequenz bedeutet das, dass LR den Vertrag ohne Weiteres auf eine Tochtergesellschaft im Ausland übertagen darf. Für LR ist es also rechtlich möglich, einen Orgaleitervertrag auf ihre albanische, ukrainische oder tschechische Tochterfirma zu übertragen, ohne dass der Orgaleiter um Zustimmung gebeten werden muss oder widersprechen kann. Für den Fall der Kündigung durch LR hätte dies auch Folgen für den Ausgleichsanspruch: Der Orgaleiter müsste die LR Firma im Ausland verklagen, ohne zu wissen, ob diese am Ende in der Lage sein wird, die entsprechenden Zahlungen zu leisten.
Derzeit wird von unserer Kanzlei ein Fall betreut, in dem die Tochtergesellschaft im Ausland wegen des geringen Umsatzes nicht einmal in der Lage ist, die monatlichen Provisionen der Führungskraft, deren Vertrag ohne ihre Zustimmung ins Ausland übertragen wurde, aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Man ist vielmehr auf den „good will“ von LR Deutschland angewiesen, dass die Provisionen monatlich an die Tochter überwiesen werden. Ein rechtlicher Anspruch darauf besteht allerdings nicht.
Nach Auffassung unserer Kanzlei handelt es sich bei dieser Ãœbertragungsklausel um eine unzulässige Benachteiligung des Orgaleitervertrages, die aus diesem Grunde nicht zulässig ist. Diese und andere Fragen werden derzeit vor dem Landgericht Münster verhandelt.